Splitterfasern 1: Meine Suche nach meinem eigenen Sex
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Splitterfasern 2: Lange Reise

1. Wie war die sex­uelle Sit­u­a­tion in dein­er Fam­i­lie? In was für ein kul­turelles Umfeld wur­dest du in Bezug auf Sex­u­al­ität hineinge­boren? Wie würdest du das Ver­hal­ten dein­er Eltern in diesem Bere­ich beschreiben?
Ich wuchs in einem weltof­fe­nen, jedoch eher von einem neg­a­tivem Kör­per­bild geprägten Zuhause auf. Sex­u­al­ität wurde offen besprochen, im Bücher­re­gal stand Amendts „Sexfront“ und wir besassen zwei wun­der­bare gross­for­matige Aufk­lärungs-Bild­bände „Zeig mal!“. Über Sex wusste ich fak­tisch früh eine Menge, von Liebe und Intim­ität hat­te ich eine Ahnung und eine große Sehn­sucht danach.

2. Hast du dich selb­st erfreut/ befriedigt als Kind? Mit was für einem Gefühl hast du das getan? Wur­dest du „erwis­cht“? Wie wurde reagiert?
Ich habe mich mit 8 Jahren zum ersten Mal selb­st berührt und erin­nere mich, dass ich lange Zeit das Gefühl eines Orgas­mus köstlich fand und über­aus genoss, ohne zu wis­sen, dass es ein Orgas­mus und Selb­st­be­friedi­gung war, was ich da genoss. Grund­sät­zlich wurde auch das offen the­ma­tisiert. Ich bin mir allerd­ings sich­er, dass, wenn meine Mut­ter mich „erwis­cht“ hätte, sie irri­tiert und über­fordert gewe­sen wäre.

3. Wer hat dich aufgeklärt?
Aufgek­lärt wurde ich von meinen Eltern, offen und fak­tisch. Das zauber­hafte an Sex und Intim­ität blieb dabei weit­ge­hend auf der Strecke.

4. Was für einen Ein­druck hat­test du in Bezug auf Sex­u­al­ität, bevor du sie selb­st erlebt hast?
Da ich ein sehr ambiva­lentes Ver­hält­nis zu meinem und Kör­pern an sich hat­te, eher dif­fus. Lustvolle kör­per­liche Betä­ti­gun­gen wie Sport, Tanzen etc. gab es in mein­er Sozial­i­sa­tion nicht, ausser­dem wurde der Kör­p­er als von Krankheit & Störung bedro­ht und mit Diäten kon­trol­liert erlebt. Die fliessende, liebevolle Verbindung von Kör­per­lichkeit, Sinnlichkeit und Hingabe war nicht enthalten.

5. Wie hast du die Verän­derun­gen deines Kör­pers in der Pubertät erlebt und wie wurde darauf reagiert?
Nachvol­lziehbar­erweise war die Essstörung bei mir vor­pro­gram­miert. Intellek­tu­al­isierte Sex­u­al­ität und viel Kör­perkon­trolle macht­en mir den emo­tionalen, spielerischen Ein­stieg schw­er. Wie Diana Richard­son in einem ihrer Büch­er so schön begin­nt: „Ich war ent­täuscht, denn ich erwartete Liebe zu find­en. Und da war nur Sex.“

6. Wie war deine erste Men­stru­a­tion und wie wurde sie von dein­er Fam­i­lie aufgenommen?
Die Reak­tion mein­er Mut­ter war recht prag­ma­tisch; ich bin an dem Tag nicht zum Train­ing gegan­gen, weil ich sel­ber irgend­wie erschüt­tert war, dass das „Kind­sein“ nun zuende sein sollte. 

7. Wie waren deine ersten sex­uellen Kon­tak­te (intime Berührun­gen, Küsse etc.)?
Küssen fand ich schon immer toll, dass war ja auch eine recht über­sichtliche, sichere Sache. Die Erwartung, die oft hin­ter inti­men Berührun­gen spür­bar war, hat mich lange über­fordert. Schlussendlich entsch­ied ich mich dann, mitzu­machen, weil ich ja irgend­wann wis­sen wollte, wir es weit­erge­ht; also auch eher eine intellek­tuelle, prag­ma­tis­che Entschei­dung. Als ich zum ersten mal richtig ver­liebt war, ahnte ich, dass hier etwas von dem zu find­en sein kön­nte, nach dem ich mich so sehnte. Und ich machte Schluss, weil mich die emo­tionale Verbindung total überforderte. 

8. Wie war das, was du für dich als den ersten “richti­gen” Sex bezeichnest?
Das war schon aufre­gend, aber auch ein biss­chen dis­tanziert im Innern. Ich glaube ein­fach, dass ich mich zu vielem überre­det habe, um es abzuhak­en und der berührende, schöne Teil blieb oft zurück­ge­hal­ten, weil ich ein­fach emo­tion­al über­fordert war.

9. Wie ver­lief deine sex­uelle Biografie von da an?
Zunächst eher kühl und nach dem Mot­to „gehört halt dazu“. Es gab Sachen, die mir schon gefall­en haben, auch lustvoll waren. Wirk­lich emo­tion­al ent­deckt habe ich Sex dann aber erst mit dem Mann, den ich dann auch geheiratet habe. Auch hier gab es noch viele ver­schlossene Türen. Doch nach vie­len Jahren Ther­a­pie und Per­sön­lichkeit­sen­twick­lungsar­beit wagte ich den Schritt zum Selb­stver­such, erschloss mir G‑Punkt und weib­liche Ejaku­la­tion. Und dann buchte ich meine erste Tantra-Massage.

10. Wie ist dein Stand im Moment? A) In sex­uellen Beziehungen/ Kon­tak­ten B) In der sex­uellen Selbstliebe.
Inzwis­chen bin ich Paar-& Sex­u­alther­a­peutin und mache ger­ade eine Aus­bil­dung zur tantrisch­er Berührungskun­st. Sex­u­al­ität, Berührung und Intim­ität sind das Herz meines Lebens gewor­den und nicht mehr daraus wegzu­denken. Ich erforsche meine Gren­zen, erweit­ere sie lustvoll und teile meine Erfahrung mit anderen. Wunderbar!

11. Gab es Geburten? Wenn ja, wie liefen sie ab?
Ich habe drei Kinder in zwei Geburten geboren, eine Geburt war eine Zwill­ings­ge­burt. Die Geburten ver­liefen ohne Hil­f­s­mit­tel von aussen und ich bin sehr berührt, dass ich drei Kindern ohne jeden medi­zinis­chen Ein­griff ins Leben geholfen habe. Kraftvoll, kör­per­lich inten­siv und erfül­lend war diese Erfahrung. Und ich habe dabei viel über meine unbändi­ge, weib­liche Kraft gelernt.

12. Hast du Erfahrun­gen gemacht, die du für dich als trau­ma­tisch erlebt hast, z.B. Abtrei­bung, Verge­wal­ti­gung, Miss­brauch, Oper­a­tion, medi­zinis­chen Ein­griff, Sonstiges?
Nein.

“Split­ter­fasern” sind ein Blog, in dem Men­schen anonym Texte zu ihrer sex­uellen Biografie hochladen.
Die Start­seite mit der Möglichkeit zum Mit­machen find­est du hier: https://hannakrohn.de/splitterfasern/