Splitterfasern 2: Lange Reise
3. Februar 2020
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Splitterfasern 1: Meine Suche nach meinem eigenen Sex

1. Wie war die sex­uelle Sit­u­a­tion in dein­er Fam­i­lie? In was für ein kul­turelles Umfeld wur­dest du in Bezug auf Sex­u­al­ität hineinge­boren? Wie würdest du das Ver­hal­ten dein­er Eltern in diesem Bere­ich beschreiben?

Mein Vater hat meine Mut­ter vergöt­tert, aber seine Kör­per­lichkeit ihr gegenüber beschränk­te sich auf vor­sichtige Küsse auf die Wange, ein über die Wange stre­icheln, eine zärtliche Umar­mung. Das Wort ‘ehrfurchtsvoll’ beschreibt es sehr gut, es war so, als hätte er ein kleines Vögelchen in der Hand und wolle ihm nicht weh tun. Er benahm sich sehr wie ein lieben­des Kind sein­er Mut­ter gegenüber.

Meine Mut­ter war Autistin, von ihr ging kein­er­lei Ini­tia­tive aus, Sex oder Kör­per­lichkeit einzuleit­en. Sie wirk­te, als nähme sie Annäherun­gen entwed­er emo­tion­s­los, leicht angewidert oder gen­ervt hin. Sie ließ es über sich erge­hen, gab ich ihr als Kind einen Kuss oder umarmte sie, kam ich mir immer uner­wün­scht, störend und belästi­gend vor.

Meine Eltern waren Cousin und Cou­sine, das eng­ste Ver­wandtschaftsver­hält­nis, dass für eine Ehe legal ist. Jet­zt im Nach­hinein assozi­iere ich das mit Königshäusern, Pharao­fam­i­lien, Clans — dort wird ja auch oft so geheiratet, um ‘das Blut möglichst rein zu hal­ten’ oder die Fam­i­lie beisam­men zu hal­ten. Ich hat­te keine Geschwis­ter, meine Eltern stammten auch aus sehr kleinen Fam­i­lien. Im Laufe der Zeit erkenne ich immer deut­lich­er, wie wichtig dieser Fakt in unser­er Kle­in­st­fam­i­lie war. ‘Wir sind etwas beson­deres, bess­er als der min­der­w­er­tige Rest’ war eine Grund­botschaft, die von mein­er Mut­ter aus­ging, von ihr immer gelebt und sog­ar oft laut aus­ge­sprochen wurde. Intim­ität gab es immer nur von meinem Vater aus­ge­hend und als ob die bei­den Geschwis­ter wären, sprich: es blieb bei für­sor­glichen Umar­mungen. Meine Mut­ter hat Kör­per­lichkeit nie gesucht und immer nur ertra­gen und hingenommen.

Nun existiere ich ja als Beweis, dass es dann doch nicht nur Umar­mungen waren. Mein Vater über­fiel in unregelmäßi­gen Abstän­den so etwas wie wer­wolfhafter Hunger, der sich nicht mit san­ften Küssen auf die Wange stillen ließ.

Ein paar Mal habe ich es durch die geschlossene Schlafz­im­mertür gehört. Stöh­nen meines Vaters und keinen Pieps mein­er Mut­ter. Beim ersten Mal hat­te ich schon fast die Klinke in der Hand, wollte aufgeregt ins Schlafz­im­mer stürzen um zu erfahren, worunter mein Vater lei­det, was seine Qualen aus­löst.… Ich habe es nicht gemacht, weil das Stöh­nen weniger wurde und mir das Ganze sehr mys­ter­iös und irri­tierend vorkam. Auch die näch­sten zwei oder drei Male hörte ich und ver­stand nicht, wusste aber, dass es so schlimm nicht sein kön­nte, denn trotz meines forschen­den Blicks am näch­sten Mor­gen waren kein­er­lei Hin­weise auf Lei­den oder Schmerzen zu find­en. Ins­ge­samt habe ich meine Eltern solange ich Kind war jedoch nur ganz sel­ten gehört, dabei hätte ich reich­lich Gele­gen­heit gehabt, weil ich sehr oft nachts durchs Haus schlich.

Ich war schon recht alt, vielle­icht 13 oder sog­ar schon 15, als ich das Stöh­nen nach langer Zeit wieder hörte und plöt­zlich begriff, dass mein Vater mit mein­er Mut­ter schlief, sie Sex hat­ten. Ich stand wie erstar­rt vor ihrer Tür und kon­nte es kaum glauben. Kon­nte nicht fassen, wie dumm ich die paar Male zuvor gewe­sen war, nicht zu ver­ste­hen. Dann bre­it­ete sich Ungläu­bigkeit aus, dass diese bei­den Leute über­haupt Sex hat­ten. Ich lauschte inten­siv­er, denn ich ver­suchte es vor meinen Augen sehen zu kön­nen, war aber unfähig dazu… meine Mut­ter? Meine Mut­ter ließ sich wahrhaftig durch­fick­en? Das Wort ‘durch­fick­en’ fehlte noch in meinem Wortschatz. Als ich vor der Tür stand, hat­te der Satz ‘Meine Mut­ter ließ sich wahrhaftig .…’ ein Ende, dass aus ein­er Explo­sion aus meinen Phan­tasien bestand. Ich dachte mir wie ich vor mir sah wie meine Mut­ter völ­lig starr da lag und mein Vater sich nicht mehr gab, als hätte er ein kleines Vögelchen in der Hand. Meine Phan­tasien hat­te alle mit Gewalt zu tun, mit Über­wäl­ti­gung. Es war die Zeit, da habe ich meine Mut­ter schon ver­nich­t­end gehas­st. Ich fühlte Freude darüber, dass mein Vater diese unnah­bare Frau endlich über­wältigt, dass diese eisige Fes­tung, die sie umgab, gebrochen wurde. Ich has­ste meine Mut­ter, wollte sie wehr­los gegenüber den sex­uellen Urkräften sehen, sie sollte lei­den, bestraft wer­den dafür, dass sie so unnah­bar war. Sollte erleben, dass das Meer des Lebens nicht nur lieblich dahin­plätschert, son­dern Sturm die wahre Lebendigkeit ist. Ich wollte, dass sie geschockt wäre. Ich lauschte, bis das Stöh­nen ver­siegte. Danach gab es kein Wort zwis­chen den bei­den, leicht­es Knis­tern der Bettdeck­en, dann Stille, dann Schnarchen.

Hat­te ich angenom­men, dass nun neue Zeit­en begin­nen wür­den, dass nun endlich die eisige Herrschaft mein­er Mut­ter über­wun­den wäre, täuschte ich mich selb­stver­ständlich. Voller Hoff­nung über­sah ich, dass sie schon oft Sex hat­ten, und sich nie etwas änderte. Mein Vater gab sich, als schämte er sich für seinen Wer­wolf, meine Mut­ter als wäre nichts passiert als wären das nur ein paar nächtliche Alp­träume. Ihre Regentschaft war sog­ar noch gefes­tigt, da mein Vater sich dadurch schuldig machte, seinen Wer­wolf nicht zu zäh­men und in den Griff zu bekom­men. Jed­er Sex ließ meine Mut­ter rein­er, erhaben­er, strahlen­der und über­legen­er und meinen Vater dreck­iger, tierisch­er und würde­los­er erscheinen.

Wütend war ich auf meinen schwachen Vater, aber ihm gegenüber auch voll Liebe. War er schwach, ich fühlte mich stark, wollte ihn beschützen vor mein­er drachen­haften Mut­ter. Ich hätte gern gekämpft für ihn. Erste Ideen und Bilder im Kopf, ihm zu helfen, meine Mut­ter zu verge­walti­gen oder den Part für ihn an sein­er Stelle zu übernehmen, sie selb­st zu verge­walti­gen. Diese Phan­tasien scheinen dort ent­standen zu sein. Aber bewusst war mir davon nur meine gren­zen­lose Liebe zu meinem Vater, der auf mich wie ein unschuldiges Kind wirk­te, und mein unbändi­ger und glühen­der Hass auf meine Mutter.

Es gab noch einen zweit­en sex­uellen Strang in unser­er Fam­i­lie. Mein Vater war für meine Säuglingspflege hauptver­ant­wortlich. Meine Mut­ter war Lehrerin und hat damit gutes Geld verdient.

Es kam niemals zur Sprache, aber im Laufe mein­er langjähri­gen Ther­a­pie begriff ich, dass mein Vater mich als ich Säugling und Kleinkind war, miss­braucht hat. Ein paar Erin­nerungs­fet­zen sind erhal­ten. Sagte mein Vater zu mir ‘wir müssen dich noch ein­cre­men’ legte ich mich nackt aufs Bett und streck­te ihm meine gespreizten Beine in die Luft. Es gab keinen medi­zinis­chen Grund dafür, mir die Schei­de einzucremen.

Als erwach­sene Frau habe ich mir zusam­men­gereimt, dass er ein­fach schw­er bedürftig war und Gele­gen­heit bekam. Ich kämpfe mit mein­er Hal­tung ihm gegenüber. Es gibt Teile in mir, die has­sen ihn, Teile, die ver­acht­en ihn, ankla­gende Teile, Teile, die mich selb­st has­sen, ver­acht­en und ankla­gen aber es gibt auch ver­ständ­nisvolle Teile. Da sind Teile in mir, die lieben meinen Vater so sehr, dass sie ihn gern ver­sor­gen und ihm das schenken wür­den, was er so drin­gend brauchte. Teile, die mich ihm schenken wollen. Und dann sind in mir auch Teile, die meinen Vater begehren, die gern ‘echt­en Sex’ mit ihm gehabt hätten.

2. Hast du dich selb­st erfreut/ befriedigt als Kind? Mit was für einem Gefühl hast du das getan? Wur­dest du „erwis­cht“? Wie wurde reagiert?

Ich hab mich täglich befriedigt, seit ich denken kann. Wir hat­ten ein Zweisitzer­so­fa, auf dem ich lang aus­gestreckt mit der Nuck­elflasche lag und mich dabei befriedigt habe. Ich habe ganz viele Erin­nerun­gen an Zeit­en vor meinem drit­ten Leben­s­jahr. Das kann ich an einem Groß­vater aus­machen, der starb als ich dreiein­halb Jahre war und davor ein halbes Jahr im Pflege­heim ver­brachte. Ich sehe ihn noch in der Woh­nung mein­er Großel­tern wie er seine Pfeife stopft.
Ich glaube mir also diese alten Erin­nerun­gen als ich zwei Jahre alt bin.

Mich zu befriedi­gen gehörte zum Mor­gen­ritu­al, es war ganz ein­fach angenehm, baute Stress ab und knüpfte sich­er an die sex­uellen Über­griffe an, die ich durch meinen Vater aus­ge­set­zt war.

Ich wurde mehrfach dabei durch meine Mut­ter erwis­cht. Sie erk­lärte mir, dass ich das nicht machen dürfe, weil ich mir son­st meine Schei­de wund reiben würde. Ich betra­chtete meine rote Schei­de, erschrak und hörte auf. Aber nur für einen Tag. Danach war das Bedürf­nis nach dem wohlige Gefühl zu groß. Als meine Mut­ter mir nach dem näch­sten Mal Erwis­chen wieder erk­lärte, dass ich mich wund reiben würde, wusste ich schon, dass sie lügt, wusste, dass die Röte nach der Erre­gung wieder verblasst und begann, mich während mein­er Selb­st­be­friedi­gung zu ver­steck­en. Das klappte gut, ich wurde nur ab und zu noch beina­he erwischt.

3. Wer hat dich aufgeklärt?

Vor­wiegend Gespräche auf dem Schul­hof, Ange­bereien, Getuschel, Satzfet­zen, Fre­unde, die Zeitschrift Bra­vo, die bei mir zu Hause ver­boten war, ich aber bei Fre­un­den las. Fak­ten kamen vom Sex­u­alkun­de­un­ter­richt in der Schule, einem Aufk­lärungs­buch, das meine Mut­ter mir schenk­te. Sie log mir auch keine Märchen vom Storch vor, ich wusste immer, dass Babys von Mann und Frau gezeugt wurden.
Im Prinzip klärten mich meine offe­nen Augen und Ohren auf.

4. Was für einen Ein­druck hat­test du in Bezug auf Sex­u­al­ität, bevor du sie selb­st erlebt hast?

Ich habe immer schon Sex­u­al­ität erlebt. Seit dem Wickeltisch.

Ich liebe und liebte immer schon den Rausch, die Lebendigkeit, das Prick­eln, das Hin­wegge­tra­gen-Wer­den, die andere Welt, die sich auf­tut. Ich liebe Sex.

5. Wie hast du die Verän­derun­gen deines Kör­pers in der Pubertät erlebt und wie wurde darauf reagiert?

Als Kind wollte ich immer ein Junge sein. Das ‘So-Tun-Als-Wäre-Ich-Ein-Junge’ hörte auf, als meine Brüste wuch­sen. Das fand ich erst sehr ärg­er­lich. Aber da ich völ­lig nor­mal war, wed­er früh noch spät entwick­elt, wed­er zu rund noch zu flach, wurde es ganz in Ord­nung, und dann gut, denn ich war schnell in Jungs ver­liebt, das passte dann und war gut.

Meine Eltern the­ma­tisierten das alles nicht. Einzig, dass mir ver­boten wurde, nur noch mit Unter­hose auf die Straße zu gehen, was wir bei uns im Dorf im Hochsom­mer alle tat­en (echt unvorstell­bar heutzu­tage, das die Kinder in den 70er/ 80er Jahren bis sie etwa zehn waren draußen alle fast völ­lig nackt gespielt haben).

An meinem Vater merk­te ich trotz der Sprachlosigkeit sehr wohl, dass ich zur Frau wurde. Er guck­te gieriger, was mir ekel­haft wurde, er begann mir wie er es bei mein­er Mut­ter tat über die Wange zu stre­icheln, was mich erstar­ren ließ, er schwor mir, wie sehr er mich lieben würde, dass er immer alles für mich tun würde, wenn er betrunk­en war, was mich wütend machte. Näherte sich mein Vater mir, gefror ich ein und ließ seine Berührun­gen, die nicht unsit­tlich und mir trotz­dem ekel­haft waren, über mich erge­hen und ver­suchte seine wein­er­lichen Liebes­bekun­dun­gen nicht zu hören, die mich beschämten und aggres­siv macht­en. Trotz­dem liebte ich ihn sehr, war er ja auch die einzige Alter­na­tive zu mein­er unnah­baren, eiskalten Mut­ter, die mir immer wie eine Sphinx vorkam, unter deren Blick man nicht beste­hen konnte.

6. Wie war deine erste Men­stru­a­tion und wie wurde sie von dein­er Fam­i­lie aufgenommen?

Ich wusste, dass es passieren würde, das war irgend­wie kein großes Ding. Meine Mut­ter erzählte mir, dass sie selb­st damals völ­lig erschrock­en über ihre erste Blu­tung war und panisch zu ihrer Mut­ter ger­an­nt wäre, weil sie dachte, sie wäre schw­er krank. Das wollte sie mir ers­paren und sagte mir recht früh, dass es nor­mal wäre, wenn ich meine Tage bekäme.

Als es dann soweit war, sagte ich es mein­er Mut­ter. Sie besorgte mir Binden und ganz furcht­bare Unter­ho­sen mit Plas­tikein­lage, damit nichts in die Hose gehen sollte. Ich schämte mich für diese Sit­u­a­tion zu bluten, den Makel, weib­lich zu sein und diese Prob­leme zu haben.… und auch für diese schreck­licheń Plas­tikun­ter­ho­sen, die ich tat­säch­lich fol­gsam trug.

Grund­sät­zlich war Men­stru­a­tion etwas geheimes bei uns. Die Umge­bung sollte nicht mit­bekom­men, wann man seine Tage hat­te, schon gar nicht Män­ner — das galt auch für meinen Vater.

Es war ein großer Schritt für mich, jet­zt als erwach­sene Frau mein­er eige­nen Fam­i­lie nicht mehr zu ver­heim­lichen, dass ich grade men­stru­iere. Vor allem ab und zu, wenn ich schlapp bin, offen mit meinen Kindern ins­beson­dere auch meinen Söh­nen zu sein und nicht Kopf­schmerzen oder andere Krankheit­en für eine Pause vorzuschieben. Aber ich finde es immer wichtiger, meinen Kindern vorzuleben, dass dies ein­fach zum Frau-Sein nicht nur dazu gehört son­dern wun­der­voll ist. Ich wün­schte, ich hätte sehr viel früher mehr über die spir­ituelle Dimen­sion der Men­stru­a­tion erfahren, mich als Mäd­chen und junge Frau mehr darüber gefreut, dass ich im Kreis mit all den Frauen ste­he und ver­bun­den bin dadurch, dass ich menstruiere.

7. Wie waren deine ersten sex­uellen Kon­tak­te (intime Berührun­gen, Küsse etc.)

Frei und ungezwun­gen war es am Anfang. Ich war früh an Jungs inter­essiert, hat­te meinen ersten Fre­und, als ich 12 war. Ich war das erste Mäd­chen in der Klasse, die einen Fre­und hat­te, und bin darauf immer noch merk­würdig stolz. Ich lächel über dieses Gefühl, den eige­nen Wert anhand dieses Kri­teri­ums zu bemessen. Aber in mein­er Schulk­lasse galt ich damals nicht viel, durfte mich von zuhause aus nicht schminken, wurde von mein­er Mut­ter in biedere Klam­ot­ten gesteckt, es tat unglaublich gut, trotz­dem die erste mit Fre­und gewe­sen zu sein.

Wir hat­ten ein paar Jun­gen in der Klasse, die wegen Wieder­holen älter waren, ein­er davon war mein erster Fre­und. Er war Grufti mit Totenkopf-Rin­gen und schwarz­er Kutte auch im Som­mer. Kein­er kon­nte ver­ste­hen, dass wir ein Paar waren. Wir waren unglaublich ver­schieden. Ich total brav, schüchtern, eigentlich der Typ Mauerblüm­chen mit lauter völ­lig uncoolen Klam­ot­ten und er so auf­fäl­lig. Zu Hause wären meine Eltern in Ohn­macht gefallen.

Wir trafen uns nur in einem Park vor der Schule. Das war ziem­lich öffentlich, was uns aber ziem­lich egal war. Wir scherten uns nicht drum, wenn jemand guckte.

Ich genoss die erste Kör­per­lichkeit sehr, langsames Voran­tas­ten, erst Händ­chen­hal­ten, dann ein scheuer Kuss, dann Stre­icheln, Hände unter Pullover schieben, fühlen und spüren, inniger küssen. Es war unheim­lich schön. Nach ein paar Wochen war schon wieder Schluss zwis­chen uns, ohne Stre­it und ohne Liebeskum­mer. Das war in mein­er Clique ganz nor­mal damals. Man blieb drei/vier Wochen zusam­men, dann tren­nte man sich wieder. Ich war direkt danach mit einem anderen Jun­gen aus mein­er Klasse zusam­men. Ich bin daran völ­lig naiv gegan­gen, ohne nachzu­denken. Aber für meine gesamte Klasse war ich danach für lange Zeit ein Flittchen. Dieses Gerede und Geläster über mich hat furcht­bar Ein­druck auf mich gemacht, mir wurde bewusst, dass man ‘’so etwas nicht macht”.

Nachträglich füh­le ich mich wie ein Naturkind, nur dem fol­gend, was sich gut anfühlt, ohne Moral. Ich dachte, wenn man jeman­den mag, dann wäre man mit ihm zusam­men. Ganz unkom­pliziert. Ich war unvor­bere­it­et auf die Welle, die mich traf und ziem­lich geschockt und beschämt über die offene Ablehnung, das Getuschel über mich und die Lästereien. Aus dieser Scham her­aus habe ich dann meine Beziehung zum zweit­en Fre­und sofort been­det und lange Jahre jeglichen Fre­und verknif­f­en. Wie jede andere habe ich dann nur noch unerr­e­ich­bare Jungs aus der Ferne angeschmachtet, das war gesellschaftlich akzeptiert.

Mich wun­derte damals, dass es nicht nur die Mäd­chen waren, die mich Flittchen nan­nten, viele Jungs waren auch dabei und ver­zo­gen dabei angewidert das Gesicht, star­rten mich ander­er­seits aber auch an als ”die ist zu kriegen, bei der kann man’s pro­bieren”. Ver­standen habe ich es nicht, was an mir falsch war, aber ich hab mich for­t­an brav an die Spiel­regeln gehalten.

Im Geheimen war ich auch immer wieder heftig in Frauen ver­liebt, die manch­mal 10 manch­mal 20 Jahre älter als ich waren. Aber zusam­men war ich nie mit ein­er Frau. Dabei hätte ich es gut gefun­den, es hätte mich nicht beschämt. Ich füh­le mich in der glück­lichen Sit­u­a­tion, mich für meine Lei­den­schaften oder durch meinen Sex noch nie geschämt zu haben. Jed­er Schritt, den ich beim The­ma Sex mache, fühlte sich so richtig an, dass es nicht falsch sein kann.

8. Wie war das, was du für dich als den ersten “richti­gen” Sex bezeichnest?

Ich war dann schon 19 Jahre alt, als ich zum ersten Mal Sex hat­te. Ich war mit meinem Fre­und, schon ein paar Wochen zusam­men. Wir waren ver­liebt und mocht­en uns sehr. Nackt gekuschelt und berührt hat­ten wir uns schon öfter, es war eine echte Entschei­dung.… beim näch­sten Mal ver­suchen wir es.…

Es ist schön, dass es für und bei­de das erste Mal war. Ich wollte es sehr, hat­te dann aber plöt­zlich doch große Angst als wir bei­de zusam­men beschlossen: Jet­zt. Jet­zt!. Ich wollte aber nicht mehr zurückziehen und dann irgend­wie zick­ig oder blöd wirken. So fragte mein Fre­und mich, ob ich mir sich­er wäre, ob ich es wirk­lich wollen würde, und ich sagte ‘ja’, trotz Angst, trotz zurückziehen wollen, trotz Bedenken. Ich wollte diesen großen Schritt endlich tun, wollte endlich in den Club der­er, die Sex hat­ten, viel zu spät, dachte ich, erst mit 19 .…schäme dich!.…

Es war nur ein paar Minuten kurz und schmerzhaft und nicht schön. Mein Fre­und war erschrock­en, ich war erschrock­en, wir fan­den es bei­de furcht­bar. Aber ich war ‘entjungfert’. Mir tat ein paar Tage alles weh. Ich war sehr ernüchtert.

Mein Fre­und kam dann und fragte, ob wir es noch ein­mal ver­suchen kön­nten, alle sagten, es wäre so schön.… Und ich kan­nte Sex ja gut aus all den Jahren mein­er Selb­st­be­friedi­gung und wusste, wie sehr erfül­lend er für mich ist.
Und das zweite und die fol­gen­den Male machte es uns bei­den Spaß, der Druck war weg und wir tasteten uns immer weit­er vor.

9. Wie ver­lief deine sex­uelle Biografie von da an?

Die Beziehung zu meinem ersten Fre­und war eine dauernde On/Off-Beziehung, er hat unsere Beziehung fünf oder sechs Mal gelöst und wieder aufgenom­men. Irgend­wann habe ich dann Schluss gemacht, und das war dann endgültig.

Danach habe ich mich in einen Fre­und ver­liebt, der katholis­ch­er Priester wer­den wollte. Ich habe ihn so vehe­ment angeschmachtet, dass es ihn erwe­icht bzw. wohl wahrschein­lich eher völ­lig über­ran­nt hat. Er wohnte in einem Wohn­haus für ange­hende Priester, Damenbe­such war bis 21:00 h ges­tat­tet — immer­hin.… Ich bin nachts auf Strümpfen aus seinem Zim­mer her­aus­geschlichen. Zweimal ist das passiert, wir haben nicht miteinan­der geschlafen — nur fast. Ich habe ihn nie wieder gese­hen. Ob er Priester gewor­den ist? Ich weiß nur, dass er danach kräftig Zweifel hat­te. Ich liebte die Rolle der Femme fatale.

Dann war ich auf ein­er Reise nach Tansa­nia heftig in eine Frau ver­liebt. Sie wohl auch in mich. Wir hat­ten eine Bus­fahrt, auf der wir uns nahe gekom­men sind, stun­den­lang aneinan­der angelehnt und Händ­chen gehal­ten haben. Ich wollte ein­deutig mehr. Aber eine Woche nach­dem ich aus Afri­ka zurück war, starb durch einen tragis­chen Unfall meine Mut­ter. Dadurch ver­loren wir uns dann aus den Augen.

Nach dem Tod mein­er Mut­ter habe ich mich in Sex gestürzt, ich war mit dem größten Schürzen­jäger in mein­er Umge­bung zusam­men. Ich fand ihn ganz süß, ich war sich­er seine hun­dert­ste Fre­undin. Das war mir aber ganz egal. Mit ihm war Sex rein­er Spaß und Vergessen von Tod und Schmerz. Es war wild mit ihm, Sex ohne Liebe. Mit ihm hat­te ich zum ersten Mal Anal­sex. Das fand ich span­nend, weil es mir fast die Sinne raubte. Es war Sex, der Schmerzen bere­it­ete, genau das richtige, um mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Anal­sex ist für mich krass­er Sex, super inten­siv, super fokussiert, ganz heftig zen­tri­ert. Nicht wirk­lich schön son­dern echt, pur, nah, heftig. So, dass mir der Atem stockt, so, dass ich das Gefühl habe Panik zu bekom­men, über­fordert zu sein, es nicht zu schaf­fen. Und dann geht es doch, dann halte ich es doch aus, bin völ­lig über­erregt, muss darauf acht­en, nicht zu hyper­ven­tilieren. Das gefällt mir, dass der Kopf nichts mehr denken kann. Meinen Höhep­unkt habe ich erst, wenn der Penis wieder meinen Anus ver­lassen hat, in der Entspan­nung, das ist irgend­wie irre.

Und dann begeg­nete ich auf ein­er Par­ty meinem jet­zi­gen Mann. In ihn habe ich mich gle­ich sofort und total ver­liebt. Noch in der Nacht ließ ich den Schürzen­jäger sitzen, sagte ihm, dass es aus sei. Er war über­rascht, kam aber gut darüber hin­weg. Mit meinem Mann wollte ich zusam­men sein. Wir haben uns noch zweimal getrof­fen, sind dann ein Paar gewor­den und haben sofort miteinan­der geschlafen.

Wir passten sex­uell unglaublich gut zusam­men. Er ist ein unglaublich guter Lieb­haber. Wir mögen es bei­de inten­siv und hart. Die ersten Jahre war unser Sex gesund rau. Wir schliefen nachts im Park miteinan­der, in einem Fluss in Frankre­ich, an öffentlichen Plätzen. Wir hat­ten mehrmals täglich Sex. Wir hat­ten viel Sex, bei dem ich gefes­selt war, bei dem er mich fotografierte, meine Yoni filmte. Wir pro­bierten gerne vieles aus. Dil­dos und Brust­warzen-Klem­men. Es war uns nie lang­weilig. Ich ste­he auf mäßige Schmerzen, er darauf, mich hart anzufassen.

Dann hat­ten wir harte Zeit­en in unser­er Part­ner­schaft. Viele Jahre standen wir dort vor einem Scher­ben­haufen. Trotz­dem hat­ten wir noch Sex, der aber immer härter wurde. Es war Sex im Stre­it, Sex, der Machtver­hält­nisse klären sollte, Sex, der wie Krieg war. Er über­reizte mich, meine Kli­toris, meine Brust­warzen. Ich bet­telte darum, hart gefickt zu wer­den. Ich hat­te Verge­wal­ti­gungsphan­tasien. In mir spal­tete ich mich in einen Opfer­teil und einen Täterteil auf. Ich liebte großes Dra­ma, mein Opfer­teil bet­telte darum, dass er aufhören sollte, dass er weniger grob sein sollte, ich win­selte und jam­merte ‘Nein, bitte nicht!’, mein Täterteil wollte es mehr und noch härter, wollte es ganz heftig und immer noch mehr. Ich wollte bis zur Besin­nungslosigkeit genom­men wer­den. Ich lernte, abzus­pritzen, was meinen Mann aber auch mich anmachte. Ich träumte von Bondage, ich las SM-Geschicht­en, schrieb Pornos. Ich befriedigte mich täglich mehrfach in einem gigan­tis­chen Rausch. Aber tiefe Befriedi­gung fand ich immer sel­tener, die Verge­wal­ti­gungsphan­tasien wur­den immer härter und krass­er. Ich träumte davon, von dutzen­den Män­nern nacheinan­der gefickt zu wer­den. Ich träumte davon, wie Dreck behan­delt zu wer­den, mich selb­st zu verge­walti­gen, von meinem Vater verge­waltigt zu wer­den. Ich sah ihn vor meinem inneren Auge ste­hen und provozierte ihn ‘Los! Tu es endlich! Du traust Dich nicht? Schau zu! Ich zeig Dir wie man es machen muss!’

Diese Phase der zunehmenden Gewalt dauerte gewiss drei Jahre. Im realen Sex mit meinem Mann hat­te ich zwar einen Höhep­unkt nach dem anderen, man hätte Hard­core-Pornos bei uns drehen kön­nen, aber die Höhep­unk­te waren leer, wie aus­ge­saugt. Ich fand nur wenig Befriedi­gung. Oft war meine Yoni wund und ich immer noch erregt. Es halfen nur die in mein­er Gedanken­welt stat­tfind­en­den Verge­wal­ti­gung­sexzesse, Selb­st­be­friedi­gung, Erniedri­gung und Zusam­men­brüche, bei denen ich mich wie am Boden zertrüm­mert vorkam.

Zu dem Zeit­punkt war ich schon in Ther­a­pie. Aber meinen Sex hat es nicht berührt, gemildert oder besän­ftigt. Meine Ther­a­peutin liebe ich, sie hat mich so oft vor dem Selb­st­mord gerettet, hat mir in so vielem so gut geholfen. Ich finde, sie leis­tet großar­tige Arbeit aber mein Sex änderte sich nicht. Es war mit­tler­weile so schlimm, dass ich ein bis zwei Wochen brauchte, um aus diesen Erre­gungszustän­den wieder her­auszufind­en, und jedes Mal fühlte es sich an, als hätte ich diese ganzen Phan­tasien grade so eben überlebt.

Und dann kam ich zu Han­na. Sie hat mich da raus gezo­gen, es ging recht schnell. Ich war wie über­reif, ich war so unendlich bere­it dafür, dass sich etwas ändert. Ich hat­te Angst davor erregt zu wer­den. Ich erin­nere mich genau, als Han­na mir die Beck­en­schaukel erk­lärte und zunächst sagte, dass die Übung gut sei, um mit Erre­gung zu spie­len, dass ich mich erst weigern wollte und heftig Angst hat­te. Aber glück­lich­er Weise wirkt die Beck­en­schaukel bei mir auch her­vor­ra­gend, um die Erre­gung zu besän­fti­gen und bot mir somit eine unendlich bessere Alter­na­tive zu dem was war.

10. Wie ist dein Stand im Moment? A) In sex­uellen Beziehungen/ Kon­tak­ten B) In der sex­uellen Selbstliebe.

Ich lebe weit­er­hin mit meinem Mann zusam­men. Das let­zte Mal haben wir etwa vor einem hal­ben Jahr miteinan­der geschlafen. Wir waren ein paar Mal miteinan­der im Bett, aber in mir ist nun ein Stopp. Ich kann meine Yoni, meinen gesamten Unterkör­p­er nicht von ihm berühren lassen. Das erzeugt Flucht- und Vertei­di­gungsim­pulse bei mir. Ich will meine Yoni beschützen, sie ist mir kost­bar gewor­den. Ich würde ver­suchen, ihm die Hand abzubeißen, würde er sie begrab­schen. Im Moment funk­tion­iert es aber, dass ich ihn befriedi­ge. Damit habe ich keine Probleme.

Mich selb­st kann ich im Moment nur ganz extrem sel­ten befriedi­gen. Es ist oft so, dass ich Lust empfinde, Sex haben will, ich genieße die ersten Berührun­gen, dann kommt Trau­rigkeit, sofort darauf Angst, Erstar­rung und inner­halb von Sekun­den ist der Genuss zu Abwehr, tiefem Unbe­ha­gen, Ekel, Wut und Aggres­sion gewor­den. Meine Yoni will sich auch durch meine Hände nicht berühren lassen, sehnt sich aber ganz enorm nach jeman­den, der sie hält, richtig berührt und versteht.

Nur ganz sel­ten ist das Bedürf­nis so groß, dass ich mich über die Furcht mein­er Yoni hin­wegset­ze, mich weit­er berühre und zu einem schnellen, erlösenden Höhep­unkt komme.

In ein­er Vision sah ich mich selb­st in ein­er hal­lenar­ti­gen Höh­le ste­hen, in einiger Ent­fer­nung von mir eine Gruppe Män­ner, die im Flack­ern eines Lager­feuers zwis­chen uns nicht genau auszu­machen waren. Ich fühlte mich wie eine Kriegerin und ein Satz tauchte in meinem Bewusst­sein auf ‘Die tun mir nichts mehr!’

Seit­dem habe ich nie wieder den Wun­sch gehabt, verge­waltigt zu wer­den. Mich kön­nen diese Phan­tasien noch sehr erre­gen und berauschen, wenn ich sie so auf­schreibe wie jet­zt grade, doch seit dieser Vision, die ich bei Han­na hat­te, will ich das nicht mehr ausleben, kein Ver­lan­gen mehr danach, mich verge­walti­gen zu lassen.

11. Gab es Geburten? Wenn ja, wie liefen sie ab?

Ich habe drei Kinder auf die Welt gebracht. Alle Kinder kamen ohne Hil­f­s­mit­tel auf die Welt. Ich brauchte auch keine PDA. Ich war mir bei allen Geburten sehr sich­er, hätte sie am lieb­sten ganz alleine auf die Welt gebracht. Aber dadurch, dass ich selb­st bei mein­er eige­nen Geburt fast gestor­ben wäre, weil ich die Nabelschnur mehrfach um den Hals gewick­elt hat­te — neun­mal, wie mein Vater immer gnaden­los über­trieb — wollte ich meine Kinder lieber doch an einem Ort zur Welt brin­gen, an dem auch not­falls ein Kaiser­schnitt gemacht wer­den hätte können.

Bei den ersten bei­den Geburten wurde ein Damm­schnitt gemacht, bei der drit­ten riss der Damm von alleine ein. Das erste und das dritte Kind zur Welt zu brin­gen war hart, schmerzhaft und bei­de Male zu schnell. Die zweite Geburt war dage­gen ein echter Genuss. Ich merk­te, wie wir bei­de zusam­me­nar­beit­eten, das Kind und ich. Ich hat­te echte Pausen zum Erholen und dann kam mein Sohn ganz sachte und vor­sichtig aber beständig zur Welt. Das war wunderschön.

12. Hast du Erfahrun­gen gemacht, die du für dich als trau­ma­tisch erlebt hast, z.B. Abtrei­bung, Verge­wal­ti­gung, Miss­brauch, Oper­a­tion, medi­zinis­chen Ein­griff, Sonstiges?

Darüber habe ich ja schon oben sehr aus­führlich geschrieben. Unab­hängig davon sind Frauen so oft Über­grif­f­en aus­ge­set­zt. Das ist entset­zlich. Dass Frauen immer noch vor­sichtig und mis­strauisch sein müssen, dass Frauen sich nicht frei bewe­gen kön­nen… Daran müssen wir alle kon­tinuier­lich arbeit­en, dass unsere Kinder nicht die Rol­len­bilder und das Ver­hal­ten, die Zwänge und Äng­ste übernehmen, die wir noch vor­leben und in uns tragen. 

“Split­ter­fasern” sind ein Blog, in dem Men­schen anonym Texte zu ihrer sex­uellen Biografie hochladen.
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